Der Aufsichtsratsvorsitzende der GeWoBau, Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies begrüßte am vergangenen Donnerstag Mitglieder des Aufsichtsrates und des Ortsbeirates Richtsberg zu einem Rundgang am Richtsberg. Mit der Besichtigung einer laufende Modernisierungs- und Neubaumaßnahme will die GeWoBau einen Eindruck vom Umfang und den Belastungen für die Mieterschaft vermitteln.
GeWoBau Geschäftsführer Jürgen Rausch betonte eingangs, „dass zwar große Anstrengungen nötig sind, sich der Aufwand jedoch lohnt, da moderner und gesunder Wohnraum geschaffen und erhalten wird.“
Der Rundgang startete in der Sudetenstraße 36/38 mit der Besichtigung einer fertiggestellten Vollmodernisierung. Das Wohngebäude mit 16 Wohnungen und 1.110 m² ist ein Massivbau aus dem Jahr 1968. Die Modernisierung wurde im November 2021 fertiggestellt.
Erst die Außenhaut dämmen …
Projektleiterin Frau Janina Biallas von der Technischen Abteilung erläuterte, dass mit der Vollmodernisierung der sogenannte KfW-55-Energiestandard erreicht wird, also 45 % besser als der gesetzliche Mindeststandard. Dafür, so Janina Biallas, „wurde eine 20 cm dicke Wärmedämmung aufgebracht in deren Zuge auch die Balkone erneuert wurden.“ Zur Außenhaut gehört auch das Flachdach, dass mit einer 40 cm dicken Flockdämmung gegen Wärmeverluste geschützt wird. Die Kellerdeckendämmung misst 10 cm. Alle Fenster sind dreifachverglast. „Der Luftaustausch, „so die Projektleiterin, „wird durch vorgefertigte Fensterlüftungen, sogenannte Falzen, sichergestellt“. Die Vollmodernisierung umfasste darüber hinaus auch die Erneuerung aller Abwasser- und Wasserleitungen sowie der Bäder und Fliesenspiegel und der Elektrounterverteilungen.
… dann die Haustechnik erneuern
Der hohe energetische Standard wird aber nicht allein durch die Dämmung erreicht, sondern es bedarf einer modernen Haustechnik. Dämmung und Haustechnik gehen Hand in Hand.
Während andere Wohngebäude in der Sudetenstraße mit Fernwärme ausgerüstet werden, hat sich die GeWoBau hier für eine strombetriebene Wärmepumpe mit Wärmerückgewinnung entschieden, die warme Luft aus Küche und Bad gewinnt und das Heizungswasser vorwärmt. Die Wärmepumpe betreibt das Abluftsystem und springt immer auch dann an, wenn eine Temperaturdifferenz überbrückt werden muss. Bei besonders niedrigen Temperaturen kommt ein Gas-Spitzenlastkessel zum Zuge. Die Wärmepumpe wird durch eine Photovoltaikanlage unterstützt.
Energieeinsparung und Klimaschutz
Noch gibt es keine echten Verbrauchsdaten. Als Faustregel gilt aber, dass Wohngebäude in dieser Altersklasse etwa 175 kWh/m² Wohnfläche für Wärme und Pumpenstrom verbrauchen. Durch die Dämmung sinkt der Bedarf für Heizung und Warmwasser auf 55 kWh/m². Einen Teil der benötigten Wärme zieht die Wärmepumpe aus der Abluft. Die Restenergie liegt dann noch bei etwa 40 kWh. Der Endenergieeinsatz, also das was bezahlt werden muss, sinkt also um rund 75%. Beim CO2, dass ja ab diesem Jahr besteuert wird, ist die Einsparung noch deutlicher. Waren es vorher 41 kgCO2 pro Quadratmeter, sind es künftig noch 3,7 kgCO2. Das entspricht einer Senkung von über 90%.
Energetische Modernisierung wird warmmietneutral
Die Leiterin der Finanzierung, Frau Karin Willanzheimer, unterstrich, dass von den umlagefähigen Bruttoinvestitionskosten von rund 2,3 Mio. Euro lediglich bis zu einer Höhe von 2,00 Euro/m² Wohnfläche auf die Kaltmiete umgelegt werden. „Der energetische Anteil der Modernisierungsmaßnahme“, so Karin Willanzheimer. „soll durch die Energiekosteneinsparung gedeckt werden, so dass wir annähernd warmmietneutral sind.“ Einschließlich der zusätzlichen Wartungskosten geht die GeWoBau davon aus, dass im Schnitt etwa 1,00 Euro pro Quadratmeter an Energiekosten eingespart werden. Während der Arbeiten in den Wohnungen sind MieterInnen innerhalb des Hauses in Ersatzwohnungen oder in andere Häuser umgezogen. Die GeWoBau unterstützt ihre MieterInnen bei Umzügen und mindert die Miete während der Bauarbeiten.
Dachaufstockung mit Aufzugsanlage schafft neue Wohnungen und eine barrierefrei zugängliche Hausarztpraxis
Die nächste Station des Rundgangs war das Wohnhaus in der Sudetenstraße 27/29. Das Gebäude steht mitten im Umbau. Das Besondere ist die Dachaufstockung mit dem nachträglichen Einbau einer Aufzugsanlage. „Dafür“, so der Projektleiter Daniel Deutsch, „mussten wir das bestehende Treppenhaus abreißen, um einen barrierefreien Zugang sicherzustellen.“ Zurzeit sei lediglich der Aufzugsschacht zu erkennen. Es werde, so Deutsch, noch ein gutes halbes Jahr dauern, bis der Aufzug das Dachgeschoss erreicht. Der Abschluss der Maßnahme wird im Februar 2023 erwartet.
Der Massivbau aus dem Jahre 1967 mit 12 Wohnungen und 815 m² Wohnfläche bekommt wie schon das Wohnhaus Sudetenstraße 36/38 eine 20-cm Wärmedämmung mit dreifachverglasten Fenstern und erneuerten Balkonen. Auch bei dieser Modernisierung ist der Energiestandard KfW55. Die Dachaufstockung, also der Neubau, wird in einem noch besseren Standard erhalten, dem sogenannten KfW40plus-Standard, „also 60% besser als der gesetzliche Mindeststandard“, so Daniel Deutsch.
Holz als Baustoff
Das Besondere an der Dachaufstockung ist die Holzständerbauweise. Die Balken sind aus massivem Fichtenholz gefertigt, während die Decken aus Brettschichtholz hergestellt wurden. Weil durch die Holzbauweise Beton gespart wird, für dessen Herstellung extrem viel Energie benötigt wird und Holz CO2 speichert, ist der ökologische Fußabdruck der Dachaufstockung außergewöhnlich gut.
Energieversorgung über Fernwärme
Auch in diesem Gebäue kommt eine moderne Haustechnik zum Zuge. Der Neubau in der Dachaufstockung mit etwa 260 qm erhält eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Im Gegensatz zum fertiggestellten Wohnhaus in der Sudetenstraße 36/38 werden die Häuser in der Sudetenstraße 11 bis 33 an die Fernwärme der Stadtwerke Marburg angeschlossen.
Geschäftsführer Jürgen Rausch erläuterte, dass „die Fernwärme in der Richtsberg-Gesamtschule erzeugt wird und neben einigen Wohnhäusern bereits die Schule und das Altenheim der Stiftung St. Jakob versorgt.“ Auf diese Synergieeffekte baut das Wärmenetz auf. Bis 2023 wird die Fernwärme noch mit Erdgas hergestellt, ergänzt durch die Wärmeerzeugung aus solarthermischen Anlagen auf GeWoBau-Dächern. „Nächstes Jahr“, so Jürgen Rausch, „wollen die Stadtwerke einen Biogas-Kessel für die Grundlast einbauen“. Fernwärme ist in der Herstellung dreimal so effizient wie Gas-Etagenheizungen. Ein einzelner Erzeuger ist auch besser an den Stand der Technik anzupassen als hunderte kleiner Gasgeräte.
Bau- du Modernisierungskosten
In der Sudetenstraße 36/38 lagen die Gesamtkosten bei rund 2,3 Mio. Euro, das bedeutet etwa 2.200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Die werden gegenfinanziert mit einem Darlehn der KfW in Höhe von 1,4 Mio. Euro sowie darauf einem Tilgungszuschuss von 570.000 Euro. Das Land Hessen übernimmt für 5 Jahre einen Teil der Zinskosten. Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Thomas Spies ergänzte, dass die Stadt Marburg zur Finanzierung einen sozialen Energiebonus beisteuert in Höhe von 330.000 Euro.“
Im Zuge der Dachaufstockung in der Sudetenstraße 19/21 werden 5 Wohnungen neu gebaut, deren Gesamtkosten bei rund 1,3 Mio. Euro liegen werden. Es handelt sich um öffentlich geförderte Wohnungen. Das Land Hessen hat eine Miete von maximal 8,25 Euro/qm bewilligt. Im Gegenzug gibt das Land Hessen ein verbilligtes Darlehn von 355.000 Euro und einen Baukostenzuschuss von 142.000 Euro. Die KfW-Bank finanziert die Maßnahme mit einem Darlehn von 600.000 Euro, davon ein Tilgungszuschuss von 150.000 Euro. Die Stadt Marburg fördert jede Wohnung mit 10.000 Euro sowie für jede Wohnung, die barrierefrei erreichbar ist, weitere 3.000 Euro. Insgesamt fördert die Stadt Marburg die Maßnahmen in der Sudetenstraße mit 115.000 Euro.
„Die Bestandsmieten“, so Frau Karin Willanzheimer, „werden für die energetische Modernisierung trotz der enormen finanziellen Aufwendungen lediglich warmmietneutral angehoben werden, also um ca. 1,00 Euro/qm.“ Dafür unterstützt die Stadt Marburg die energetischen Modernisierungen mit Aufwendungszuschüssen von ca. 264 €/qm modernisierter Wohnfläche.
März 2022