Im Wohnraumversorgungskonzept der Universitätsstadt Marburg wird in 4 Kapiteln das Wohnraumpotential in Marburg , Maßnahmen im geförderten Wohnungsbau, das Wohnen mit und ohne Unterstützung sowie Anreize und Gebote behandelt. Die GeWoBau stellt in loser Folge die einzelnen Kapitel vor und beginnt mit den „Wohnraumpotentialen der Universitätsstadt Marburg“.
Die Ausgangslage
"Der Gesamtwohnungsbedarf für die Universitätsstadt Marburg wird in der Wohnungsmarktanalyse von InWIS als Folge eines Nachholbedarfes im Jahr 2013, dem Neubaubedarf durch die zukünftige Haushaltsentwicklung sowie des Ersatzbedarfs für Wohnungsabgänge errechnet. Darüber hinaus wird noch eine Fluktuationsreserve von 2 % bestimmt, die notwendig ist, um in Folge von Wohnungswechseln oder Modernisierungen eine gewisse Leerwohnungsmenge für einen funktionierenden Wohnungsmarkt zu gewährleisten.
Um einen nachfragegerechten Wohnungsneubau und eine Intensivierung des öffentlich geförderten Wohnungsbaues zu gewährleisten, sieht InWIS die Ausweisung und die beschleunigte Entwicklung von Bauland in ausreichendem Umfang als Voraussetzung an, um nennenswerte Geschosswohnungsbauanteile realisieren zu können, die auch langfristig vorteilhafte Standortqualitäten besitzen.
Ausgehend vom Wohnungsbestand 2012 ergibt sich aus der Wohnungsmarktanalyse insgesamt ein Wohnungsneubaubedarf von rd. 1.600 Wohneinheiten (WE) bis 2020, darunter ca. 450 WE als geförderter Wohnungsbau bis ca. 2018. Das bedeutet eine erforderliche Bautätigkeit von ca. 220 WE pro Jahr bis 2020.
Der Neubaubedarf für Wohnungsteilsegmente wird von InWIS wie folgt eingeschätzt:
385 WE als Eigenheim bis 2020 55 WE pro Jahr
420 WE in Eigentumswohnungen bis 2020 60 WE pro Jahr
450 WE als Mietwohnungen (gefördert) bis 2018 90 WE pro Jahr
350 WE als Mietwohnungen (frei finanziert) bis 2020 50 WE pro Jahr
Dabei noch nicht berücksichtigt ist eine zusätzliche Wohnraumnachfrage durch zunehmende Flüchtlingszahlen. Da die weitere Entwicklung hier wenig absehbar ist, gehen vorsichtige Schätzungen von einer notwendigen Erhöhung des Teilsegments Geförderter Wohnungsbau auf ca. 700 bis 800 WE bis 2020 aus.
Fazit: Im Geschosswohnungsbau werden insgesamt gut 1.200 WE für erforderlich gehalten.
Siedlungs- und Bauflächenpotentiale für Wohnungsneubau
Um diesen notwendigen Wohnungsneubau insbesondere im Geschosswohnungsbau - der sich durch die Wohnungsversorgung für Flüchtlinge nochmals deutlich erhöhen wird - näher zu beleuchten, sind die Prognosezahlen von InWIS mit der tatsächlichen Bautätigkeit in den Stadtlagen seit 2013 und den in Planung befindlichen Projekten abgeglichen worden.
Dem prognostizierten Wohnungsbedarf von insgesamt 1.600 WE stehen allein in den Stadtlagen (Stand Ende 2014) ca. 600 WE mit Baufertigstellung 2013/14, ca. 470 WE in Bau (genehmigt) und ca. 890 WE in geplanten Projekten und Bebauungsplänen insgesamt also ca. 1.960 WE gegenüber.
Beispiele für bis 2014 fertig gestellte Projekte:
Beispiele für in Bau befindliche/genehmigte Projekte:
Beispiele für geplante Projekte:
die noch nicht im Bau bzw. genehmigt sind ca. 100 WE
Der überwiegende Anteil der realisierten und geplanten Wohnungen ist bzw. wird aufgrund der Stadtlagen im Geschosswohnungsbau realisiert.
Wohnungsbauprojekte in den Außenstadtteilen zur gleichen Zeit insg. 135 WE:
• ca. 45 WE mit Baufertigstellung,
• ca. 25 WE in Bau und genehmigt
• und ca. 65 WE geplant bzw. realisiert
Bei ca. 600 fertig gestellten WE bis Ende 2014 ist die erforderliche Bautätigkeit mit 300 WE pro Jahr bis jetzt gegenüber den Ergebnissen der Wohnungsmarktanalyse deutlich übertroffen worden. Diese Entwicklung hat sich in der ersten Jahreshälfte 2015 fortgesetzt und nochmals verstärkt, so dass wiederum über 300 WE im Jahr erreicht werden. Hier sind bis Mitte des Jahres weitere ca. 100 WE (beispielsweise Großseelheimer Straße, Oberer Rotenberg, Am Schwanhof) in den Stadtlagen fertig gestellt worden. Des Weiteren sind ca.
250 WE bis Ende 2015 in den Stadtlagen zu erwarten. Beispielsweise Weintrautstraße/GWH-Projekte/Alte Kasseler Straße.
Fazit: Insgesamt sind damit bereits in den Jahren 2013/14/15 (Stand 7/2015) ca. 1.260 WE realisiert, in Bau bzw. genehmigt.
Bei dieser Betrachtung sind die Außenstadtteile nicht berücksichtigt.
Außerdem ist zu beobachten, dass sich auch die Anzahl geplanter Projekte im letzten halben Jahr nochmals deutlich erhöht hat. Hier schlagen derzeit ca. 1.200 WE in neu geplanten Projekten zu Buche (einschränkend muss hier aber berücksichtigt werden, dass das eine oder andere private Projekt möglicherweise nicht realisiert werden wird. Den noch Ende 2014 realisierten, in Bau befindlichen und geplanten ca. 1.960 WE in den Stadtlagen stehen damit heute bereits insgesamt Wohnraumpotentiale von ca. 2.390 WE (Stand 7/2015) gegenüber.
Damit ist festzustellen, dass sich schon heute genügend Potentiale ergeben, um bis 2020 den in der Studie gezeigten Bedarf, zumindest was den frei finanzierten Geschosswohnungsbau und den Bedarf an Eigentumswohnungen angeht, zu erschließen. Dem von InWIS formulierten Leitsatz Wohnalternativen für den Mittelstand zu schaffen, kann damit hinreichend Rechnung getragen werden.
Ein nachweislicher Bedarf weiterer Angebote in der Stadt an diesen Wohnungsteilsegmenten erscheint daher aus jetziger Sicht nicht gegeben. Die hierbei unberücksichtigten Potentiale in den Außenstadtteilen werden an anderer Stelle nachfolgend separat betrachtet.
Die Schwerpunkte dieser Entwicklung in den Stadtlagen von Marburg sind:
Mit Ausnahme des Stadtwaldes, der als Kernstadtrandlage zu bezeichnen ist, handelt es sich durchweg um Kernstadtlagen.
Baulückenpotential
Da bereits in den 90-er Jahren und in der Zeit von 2002 bis 2012 die Inanspruchnahme von innerstädtischen Baulücken vonstattenging, ist es heute nicht verwunderlich, dass sich insbesondere in innenstadtnahen Bereichen die Anzahl von Baulücken als nennenswertes Baulandpotential weitgehend erschöpft hat.
So sind nach einer groben Erfassung Ende 2014 nur ca. 375 Grundstücke mit Baurecht (§ 30/§ 34 BauGB) im Stadtgebiet gezählt worden, wovon nur ca. 50 Grundstücke auf die Kernstadt/Ockershausen fallen, wohingegen die Außenstadtteile ca. 250 Grundstücke aufweisen. Die Stadtteile Cappel, Marbach und Wehrda weisen ca. 80 Grundstücke auf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich in Ockershausen im Wesentlichen auch um SEG- Grundstücke im Stadtwald handelt.
Vgl. hierzu auch die Standorte umgesetzter Wohnbauprojekte in der Zeit von 2002 bis 2012 für ca. 2.000 WE
Unterzieht man diese potentiellen Baulücken - hier muss immer wieder auf die zum Teil eingeschränkte Verfügbarkeit/Eigentum hingewiesen werden - einer weiteren planungs- rechtlichen Einschätzung, so wären in den Stadtlagen (ohne Stadtwald und SEG-Flächen: hier sind die geplanten Projekte schon in den vorher dargestellten Zahlen berücksichtigt) Baulücken mit einem Wohnbaupotential von ca. 325 WE vorhanden. Allein in der Kernstadt/Ockershausen (ohne Stadtwald) sind es nur ca. 57 WE. Da sich diese Flächen nicht im Besitz der Universitätsstadt Marburg befinden, stellen diese Flächen für die Zukunft auch nur ein unzureichendes Baulandpotential dar.
Fazit: Wohnbaupotential in den Stadtlagen durch Baulücken ca. 325 WE, davon in der Kernstadt/Ockershausen ca. 57 WE.
Anders sieht es in den Außenstadtteilen und in den Stadtteilen Cappel, Wehrda und Marbach aus. Hier gibt es ca. 250 Baulücken in den Außenstadtteilen (mehrheitlich für Eigenheimbau) für ca. 250 bis 300 WE und ca. 80 Baulücken in Cappel, Wehrda, Marbach und Ockershausen (ohne Stadtwald), ca. 270 WE.
In den Außenstadtteilen gibt es darüber hinaus durch Leerstand ein weiteres Wohnraumpotential von zusätzlich ca. 300 WE.
Fazit: Wohnbaupotential in den Außenstadtteilen durch Baulücken ca. 300 WE und weitere ca. 300 WE durch Leerstandspotentiale.
Erfahrungen zeigen allerdings, dass diese Wohnflächenpotentiale, die sich allein durch Baulückenerfassung ergeben, aufgrund ganz persönlicher Gründe, die im Eigentum begründet liegen, sich nur eingeschränkt aktivieren lassen, vor allem dann nicht, wenn die Stadt diese Wohnbauangebote lediglich als „Angebotsplanung“ entwickelt.
Aus diesem Grund hat sich die Universitätsstadt Marburg bereits in der Zeit 2000 bis 2010 verstärkt mit dem Thema Innenentwicklung vor Außenentwicklung, der demografischen Entwicklung und der zukünftigen Baulandentwicklung in Außenstadtteilen gewidmet und einen Grundsatzbeschluss zur Baulandentwicklung in den Außenstadtteilen gefasst, wonach perspektivische Baulandentwicklungen in den Außenstadtteilen nur noch kostenneutral und über vertragliche Bindung betrieben werden sollte, um von der reinen Angebotsplanung weg zu kommen. Damit war auch der Wunsch nach einem höheren Maß an Ressourcenschonung durch eine neu ausgerichtete Landschaftsplanung aufgrund höherer Naturschutzanforderungen verbunden.
Gegenwärtig befindet sich der Magistrat in Diskussion mit den Ortsbeiräten, um den Aspekt der strategischen Baulandentwicklung in Außenstadtteilen neu zu formulieren und ggf. einzelne Kriterien wie den bisher festgeschriebenen „Vorrang“ für Einheimische mit festgelegten Quoten aufzugeben.
In diese Richtung geht auch die Neuausrichtung des Dorfentwicklungsprogrammes für alle Marburger Außenstadtteile, in der alle zukünftigen Aufgabenstellungen, wie die Entwicklung der historischen Ortskerne, die Siedlungsentwicklung, die Umnutzung und Sanierung von alten Gebäuden sowie die Energieeffizienz in Übereinstimmung gebracht werden sollen
Derzeit sind, den Diskussionsprozess mit den Ortsbeiräten berücksichtigend, in den Außenstadtteilen mehrere Bebauungsplanverfahren (zum Teil auch hier abhängig von der Eigentumsfrage) geplant. Zusammen mit ebenfalls geplanten Innenentwicklungsprojekten und vorhandenem Baulandpotential wären auch hier in den nächsten Jahren ca. 185 WE denkbar.
Fazit: Zur Zeit sind mehrere neue Bebauungsplanverfahren für ca. 130 WE in den Außenstadtteilen geplant.
Somit sind auch in den Außenstadtteilen die ausreichenden Wohnbaulandpotentiale – sei es durch Ausnutzung bestehender Baulücken, dem Leerstandspotential und den geplanten Siedlungserweiterungen – gegeben. Einem Neubaubedarf für Eigenheime, wie ihn die Wohnungsmarktstudie mehrheitlich mit 385 WE für alle Außenstadtteile einschließlich der Stadtteile Cappel, Wehrda, Marbach und Ockershausen attestiert, stehen Potentiale, die mehr als das doppelte an Wohneinheiten ermöglichen würden, gegenüber.
Fazit „Baulandpotential“ (Stand 7/2015)
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ca. 1.260 WE | |
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ca. 1.200 WE | |
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ca. 325 WE | |
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ca. 300 WE | |
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ca. 300 WE | |
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ca. 130 WE | |
ca. 3.515 WE |
Leerstand mobilisieren
Unter Bezugnahme auf den Zensus 2011 stellt die Wohnungsmarktanalyse von InWIS einen Leerstand von rd. 880 Wohnungen (2,3%) in Marburg fest. Expertengespräche mit zahlreichen befragten Akteuren ergaben, dass der Leerstand insbesondere in den Außenstadtteilen und teilweise auch in der Oberstadt zu finden ist. InWIS weist aber auch darauf hin, dass die für Umzugsaktivitäten notwendige Fluktuationsreserve mit dem genannten Prozentsatz eher knapp ist.
Zur Aktivierung leerstehender Wohnungen sind folgende Maßnahmen geeignet:
Außenstadtteile
Ziel: Verbesserung des Infrastrukturangebotes und der Erreichbarkeit
Innenstadt/Oberstadt
Ziel: Hemmnisse zur Vermietung der Wohnung bei Hauseigentümern reduzieren
- Öffentlichkeits-/Aufklärungsarbeit durch Ansprache von Hauseigentümern
- Unterstützung bei Vermietungen ggf. in Zusammenarbeit mit dem Studentenwerk
Fazit: Leerstände durch flankierende Maßnahmen mobilisieren.